Wir können Vergangenes nicht ungeschehen oder einfach wiedergutmachen. Aber wir können und wollen aktiv Vergangenes aufarbeiten, Betroffene unterstützen und mit ihnen nach neuen gemeinsamen Wegen suchen. Kirche und Diakonie sollen sichere Orte sein.
Pfr.in Annedore Becker, Vikarin Dr. Friederike Bäumer, Pfr.in Dr. Johanna Imhof, Pfr.in Petra Meyer
AKTIV GEGEN MISSBRAUCH – ZU DEN ERGEBNISSEN DER ForuM-STUDIE
Liebe Gemeinde,
seitdem im Jahr 2010 die Missbrauchsfälle am Berliner Canisius-Kolleg bekannt geworden ist, ist das Thema „Sexueller Missbrauch in der Kirche“ von breitem öffentlichen Interesse. Die Abgründe, die sich im Laufe der Jahre auftaten, sind beschämend. Auch wenn sich die evangelische Kirche einige Jahre im Glauben wähnte, sexueller Missbrauch sei vor allem ein Problem der katholischen Kirche, so wissen wir inzwischen, dass das nicht stimmt.
Ende 2020 nahm der Forschungsverbund ForuM mit einer breit angelegten unabhängigen Studie zum Thema „Sexualisierte Gewalt
in der evangelischen Kirche“ seine Arbeit auf. Nach drei Jahren wurden die Ergebnisse am 25.01.2024 veröffentlicht.
ForuM steht für „Forschung zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen in der evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland“. Dem Forschungsverbund gehören Forschende aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen an.
Sie haben – beauftragt durch die EKD und ihre 20 Gliedkirchen – eine systematische Grundlage für die institutionelle Aufarbeitung konzipiert.
Damit wurde ein „erste[r] breitere[r] Ansatz zur Erforschung und Analyse von Aspekten sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kir-
che und Diakonie in Deutschland und eine Beschreibung evangelischer Strukturen und möglicher systemischer Bedingungen, die
sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch in der evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland begünstigen sowie Prävention,
Intervention und Aufarbeitung beeinflussen“, geschaffen. Die Ergebnisse sind somit kein Abschluss, sondern ein Meilenstein sowohl in der Aufarbeitung als auch bei der Intervention und Prävention sexualisierter Gewalt.
Die Ergebnisse der Studie lasten schwer, denn sie legen ein jahrzehntelanges Versagen offen. Es hat an lange an der so bitter nötig Klarheit gefehlt, wenn Menschen Leid widerfahren ist, wenn Menschen in Kirche und Diakonie sexuell missbraucht wurden. Wenn Kirche eben kein Schutzort, sondern ein Tatort war. Es wurde weggesehen, Meldungen wurden überhört. Der Schutz derer, die uns in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und in der Pflege anvertraut wurden, stand nicht immer an oberster Stelle. Dass das Evangelium für eine perfide „Täterstrategie“ missbraucht wurde, hat Biografien und Vertrauen zerstört. Das ist einfach nur beschämend!
Daher gilt es, sich mit Klarheit dem Thema zu widmen und sich nicht selbst zu entschuldigen. Es gilt weiter, mit Klarheit an einer Kultur der Grenzachtung zu arbeiten, die auch Macht und Abhängigkeitsverhältnisse thematisiert, eine kritische Reflexion des Amtsverständnisses mit eingeschlossen. Alle Schutz- und Präventionsmaßnahmen werden sexualisierte Gewalt nicht verhindern können. Aber wir sollten alles dafür tun, Licht in das große Dunkelfeld zu bringen, mit Klarheit und Nachdruck einfordern, dass den Betroffenen Gerechtigkeit widerfährt, und uns an ihre Seite stellen. Das eigene Handeln zu verteidigen und über den Zuschnitt der Studie und deren Datenbasis zu streiten, befremdet.
2019 wurde die „Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt in der Ev.-Luth. Kirche in Bayern“ eingerichtet. Sie ist für vier
Arbeitsbereiche zuständig: Als Ansprechstelle für Betroffene, als Meldestelle für Missbrauch, als Anerkennungskommission und als Präventionsschulung der haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden.
Die hauptamtlich Mitarbeitenden haben bereits Schulungen durchlaufen. In der Ausbildung der Jugendleiter*innen wird bereits über
grenzüberschreitendes Handeln reflektiert. Der Dekanatsbezirk München hat einen Verhaltenskodex verabschiedet, der als Selbst-
verpflichtung von allen hauptberuflichen, neben- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden unterschrieben werden muss.
Alle Kirchengemeinden müssen bis Ende des Jahres 2025 eigene Schutzkonzepte erarbeiten, damit sie ihrem Schutzauftrag für die uns anvertrauten Menschen nachkommen können. Auch wir machen uns in Abstimmung mit unseren Nachbargemeinden in der Region auf den Weg. Gemeinsam wollen wir alles für die nötige Bewusstseinsbildung sowie eine Kultur der Achtsamkeit tun, damit es bei uns keinen Raum für Missbrauch gibt.
Eine Zusammenfassung der "Forschung zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und anderen
Missbrauchsformen in der Evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland“ finden Sie hier:
https://www.forum-studie.de/
Kontakt
Falls Sie selbst betroffen sind von sexualisierter Gewalt oder Grenzverletzungen im Bereich der Kirche oder Diakonie, auch
wenn die Taten schon einige Zeit, vielleicht auch viele Jahre oder Jahrzehnte zurückliegen, wenden Sie sich gern an Ihre Seelsor-
gerinnen:
– Pfarrerin Annedore Becker, Telefon: 089/18912225, E-Mail: annedore.becker@elkb.de
– Pfarrerin Johanna Imhof, Telefon: 089/32497716, E-Mail: johanna.imhof@elkb.de.
Wir sind für Sie da!
Auch bei den Mitarbeitenden der landes-
kirchlichen Ansprechstelle finden Sie ein
vertrauliches Gegenüber: https://aktivgegenmissbrauch-elkb.de/ansprechstelle-fuer-betroffene/
Telefonsprechstunde für Betroffene:
Montag: 10:00 – 11:00 Uhr
Dienstag: 17:00 – 18:00 Uhr
Telefon: 089/5595-335;
E-Mail: ansprechstellesg@elkb.de
Betroffene, die keinen direkten Kontakt zur Kirche aufnehmen wollen, können sich bei der Zentralen Anlaufstelle.help melden.
Dort erhalten Sie kostenlos und anonym unabhängige Informationen und Erstberatung:
Internet: https://www.anlaufstelle.help/
E-Mail: zentrale@anlaufstelle.help
Telefon: 0800/5040112